Tuesday, July 26, 2011

New Orleans - (hoffentlich) würdiger Abschluss

Huch? Was macht ihr denn noch hier? Mein Auslandssemester ist doch schon lange vorbei, wisst ihr das denn nicht? Da ist man seelenruhig und nichtsahnend am Staubwischen und plötzlich steht ihr da. Nicht mal frisiert hab ich mich! Aber egal, weil ihr schon mal da seid, ich hab da eine Theorie die ich gerne mit euch teilen würde:

Ich entschuldige mich schon mal für die letzten Sekunden.

Kennt ihr das, wenn eure Lieblingsband am Ende der CD, nach all den fantastischen Liedern, noch einen Hidden Track hinpackt? Ein Track, bei dem man sich unweigerlich fragt ob das denn wirklich sein hat müssen? Ein Track, bei dem es offensichtlich ist, warum er versteckt wurde, kann er doch qualitätstechnisch mit dem Rest der Platte längst nicht mithalten? Seht ihr, ich auch nicht. Willkommen zum Hidden Track eures Lieblingsblogs.

Ausgefuchst wie ich bin, hab ich mir nämlich die Möglichkeit offen gelassen, eine Zugabe zu geben. Und nachdem mein letzter Blogeintrag noch vor der Abreise entstanden ist, sind diese Zeilen auch rechtlich völlig legitim (hab das mit meinem Anwalt geklärt, keine Sorge). Am besten ihr findet euch damit ab und beginnt die Show zu genießen, dafür sind wir ja schließlich hier.

Ok, lange ist’s her, deshalb hier eine kurze Rekapitulation: kaum war das Semester vorbei, hat mich schon die Wanderlust gepackt und ich bin mit Gini und Tom nach Atlanta geglüht. Ganz pflichtbewusst, pedal to the metal. Von dort aus ging’s für mich ab nach New York zu meiner Lieblingstante, während sich Gini und Tom auf den langen Weg nach Nicaragua gemacht haben.

Ihnen geht's ganz gut dort.

Irgendwo dort endet auch mein letzter Blogeintrag. Ich habe noch erwähnt, wie königlich ich dort residiert habe, für ein Bild hat’s aber nicht mehr gereicht. Alle Zweifler seien hiermit zum Schweigen gebracht: 

Keine Sorge, es ist völlig natürlich bei so einem Anblick
Neid zu empfinden. Das geht schon in Ordnung.

Außerdem hab ich noch kurz angeschnitten, dass mein Cousin Alex völlig durchgeknallt ist. Im besten Sinne des Wortes – dazu aber später mehr. Ihr sitzt also im Moment gemeinsam mit mir auf meinem Himmelbett in der Gartenhütte und resümiert ein wenig vor euch hin. Die letzten Monate waren fantastisch, langsam geht es aber unweigerlich dem Ende zu. Wie verhält man sich in so einer Situation, was kann man noch machen? Noch eine gute Woche Amerika, der Abflugtag kommt gnadenlos näher. Was bleiben da schon für Optionen? Abwarten und hoffen dass es kurz und schmerzlos wird?

Klingt verlockend, ich hab mich dann aber doch für die bewährte „Bergsteigen/Hippie-Festival/1.500 Meilen Roadtrip“ Variante entschieden. Und ich muss sagen – mit heutigem Stand (26. Juli 2011) hab ich’s noch nicht bereut. Zugegeben, Bergsteigen wirkt in dieser Kombination vielleicht etwas fehl am Platz, ganz zu Schweigen von gnadenlos übertrieben (an einem Punkt hat uns ein Jogger überholt, während über uns die Geier gekreist sind) ...

Kein Witz.

… war aber trotzdem verdammt cool, hat außerdem meine Bergsteiglust geweckt. Die Idee kam nämlich von meiner Tante, die schon immer mal wissen wollte ob der Wanderweg „Lemon Squeeze“ hält, was er verspricht. Und durchaus, wir wurden ganz schön gequetscht. Teilweise hab ich (ICH!) nicht zusammen mit meinem Rucksack durch die Felsspalten gepasst. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Mutter Natur damit ein Statement abgeben wollte, weiß nur noch nicht welches. Wie dem auch sei, belohnt wurden wir folgendermaßen: 

Gib mir noch Süßigkeiten dazu und ich verleg meinen
Hauptwohnsitz auf einen Gipfel.

Irgendwo zwischen Geiern und engen Felsspalten dürfte meine Tante die dünne Höhenluft zu Kopf gestiegen sein, denn oben beim Turm hat sie dann – mit wildem Glitzern in den Augen – verkündet, dass sie dem Alex und mir für je 200$ Tickets für das Mountain Jam Festival kauft. Pflichtbewusst wie ich bin, hab ich natürlich gleich und ohne zu zögern (man ist ja kein Unmensch) meine Sachen inklusive Alex gepackt und bin losgefahren, bevor sie Chance gehabt hat dem Gedankengang einen zweiten Durchlauf zu gönnen. Sie sollte es noch bereuen …

Alex und ich also am Mountain Jam Festival, um uns herum ein Hippiekaleidoskop: lange Haare, bunte Rücke, hübsche Mädels, fantastische Musik, Friede, Freude, Schnuller, mehr Bühnen als Duschen (nehm ich mal an, ich hab keine Duschen gesehen), Seifenblasen, eine angenehm überschaubare Menge an Alkohol, dafür eine wahre Flut an bewusstseinserweiternden sowie –verengenden Substanzen (von Sonnengöttern bis zu geistigen Steinpilzen – alles war  vertreten), gutes Essen, Liegewiesen, Sonnenschein und immer und überall Umarmungen. So viele Umarmungen!

Kurzum: schön wars! Das heißt, der erste Tag war der Wahnsinn. Wir sind angekommen, haben unsere eineinhalb Zelte aufgebaut (glad you asked! zwei Zelte plus ein Paar Stangen, die zu keinem der Zelte gepasst haben – eineinhalb trifft’s ganz gut würd ich sagen) und erst mal die Füße hochgelegt. Irgendwann sind dann endlich die Freunde vom Alex aufgetaucht und wir haben angefangen uns dem Peace, Love & Understanding hinzugeben. Dass ich dabei nicht eine Band gekannt hab, war dabei höchstgradig nebensächlich.

Bei so einem Logo geh ich auch 
auf einen Dermatologenkongress.

Tja, und während ich noch am Begeisterungsstürmen bin, muss mein Knallkopf von Cousin das Festivalgelände am nächsten Tag auf höchst unfreiwillige Art und Weise (mehr unfreiwillig geht lebendig gar nicht) verlassen. Experten sprechen in so einem Fall von einem „major setback“. Das hat mir den Nachmittag natürlich ein gutes Stück weit versaut, wollte eigentlich Heimfahren. Die Freunde vom Alex haben mich dann überredet zu bleiben und beim großen Manitu, das hat sich ausgezahlt. Musikalisch gesehen war’s sogar noch besser als der erste Tag, einfach unfassbar. 

Der Veranstalter selbst hat auch des Öfteren in die Saiten gegriffen.

Jaja, ich weiß, das ist kitschig. Klappe halten und genießen.

Vorbei war’s dann trotzdem irgendwann und am Sonntag hat mich meine Tante dann aus meinem Summer of Love abgeholt. Was den Abflugtag angeht, schreiben wir ja mittlerweile auch T minus drei und ich gurk zu diesem Zeitpunkt noch gute eineinhalbtausend Meilen vom Abflughafen entfernt herum.

Also hab ich zu Hause bei meiner Tante noch mal alle kräftig gedrückt und mich in den Flieger nach Atlanta gesetzt (mal wieder). Mein Heimflug ging ja von New Orleans über Atlanta nach München und ich gutgläubiger bekloppter Irrer hab doch ernsthaft gedacht ich kann den New Orleans-Atlanta Flug einfach ausfallen lassen und in Atlanta in meinen Flieger nach München steigen. Ha, Airline Humor, herrlich. Hatte aber auch was Gutes, wer träumt denn nicht von einer elfstündigen Busreise von Atlanta nach New Orleans? Außerdem hab ich so noch mal die Möglichkeit gehabt, mich gebührend von meiner Lieblingsstadt zu verabschieden, nachdem wir New Orleans ja zwei Wochen zuvor so fluchtartig verlassen haben.

Ich also am Mittwochmorgen am Bahnhof in New Orleans. Ungeduscht wie der erste Mensch, hundemüde und nicht mal ansatzweise rasiert, dazu hab ich noch alle meine Habseligkeiten in zwei Koffern hinter mir hergeschleppt – wenn in dieser Stadt irgendjemand Geld hätte, hätt man es mir bestimmt zugeworfen. Schutzsuchend hab ich mich, beziehungsweise den Taxifahrer, auf ein letztes Mal zum Campus gequält. Nach einem kleinen Pläuschen mit den Engeln im Center Austria hab ich mir gedacht, ich könnt mir ja noch mal New Orleans bei Tag anschauen. Außerdem wollte noch das ein oder andere Souvenir gekauft werden. 

Semi-erfolgreich, wenn ich mal vorgreifen darf. Sollten die 
Dinger funkionieren, hat jetzt jemand mächtig Schädelbrummen.

In der Stadt angekommen, ist dem Himmel die Traurigkeit ob meiner baldigen Abreise aber dann endgültig zu Kopf gestiegen und es hat geschüttet wie ich es während meiner ganzen Zeit zuvor nicht erlebt hab. Ohne Schirm und Regenschutz steh ich also in der Decatur Street und kann dem Wetter beim Hageln (!) zuschauen. Coole Sache. 

Sogar das Wetter hasst Souvenirs.

Aber auch das ging vorbei und es war an der Zeit den letzten Abend zu erleben. Wenn schon Abtreten, dann mit Stil, also hab ich mir dazu den ortsansässigen Rockstar Revel geangelt und wir sind noch mal kräftig um die Häuser gezogen. Beziehungsweise haben wir, bevor wir die anderen Häuser beglückt haben, erst mal seines aufgesucht, so ein Schlafplatz will ja vernünftig organisiert werden. Dort sind wir von einem saucoolen Hund und einer nicht minder coolen Bude empfangen worden.

Natürlich stilsicher mit Schaufensterpuppe in Jeansjacke.

Während Revel sich mit seinen Rockstarkollegen Eagles of Death Metal vergnügt hat, hab ich mir die langersehnte Dusche gegönnt. In einer frei im Raum stehenden Badewanne, versteht sich. Bassisten wissen einfach zu leben. Der letzte Abend in der Frenchmenstreet war zuerst der Stimmung entsprechend. Der Himmel hat sich wieder mal nicht zurückhalten können und geheult wie ein kleines Kind, dem man den Schnuller nimmt (fragt mich nicht woher ich weiß, wie um den Schnuller erleichterte Kinder heulen). Die Band im Balcony Music Club hat mich mit einem wehmütigen „Do You Know How it Feels to Miss New Orleans“ in die richtige Stimmung gebracht, worauf ich Trotzkopf unsere New Orleans Lieblingsbar um ein Plakat unserer New Orleans Lieblingsband erleichtert hab. Mir an meinem letzten Abend ungestraft so eine Nummer vorzusetzen – soweit kommt’s noch. Im Klauen bin ich aber ziemlich ungeübt, dementsprechend entgeistert müssen die mich angeschaut haben, wie ich mit dem runtergerissenen Moonshine and Caroline Plakat unterm Arm aus der Bar und die Decatur Street runtergestürzt bin. 

Dieser Adrenalinschub wollte dringend verarbeitet werden, also hab ich Revel und seine Chaosfreundin Sheila aufgesucht, worauf wir erst mal versumpft sind, aber so richtig. Wie der Junge Sonnenschein an sein Leben hab ich mich den ganzen Abend lang an mein soon-to-be Geburtstagsgeschenk geklammert und gegen vier Uhr in der Früh sind wir alle müde, aber strahlend, ins Bett gefallen. Halt, Geschenke hab ich auch noch bekommen: eine mittlerweile berüchtigte rote Sonnenbrille, die mir Sheila mit den Worten „Wear them with pride!“ überreicht hat und zwei originale Revel Griffith Gemälde. Nicht schlecht für einen letzten Abend.

Jaja, die Brille hat viel erlebt.

Eigentlich wollte ich um zehn Uhr am darauffolgenden Tag den Flughafen bereits gerockt haben, aber was ist schon ein internationaler Flug ohne eine Prise Stress? So oder so ähnlich muss mein Unterbewusstsein gedacht haben, als es meiner Hand befohlen hat, den Wecker um neun auszuschalten. Von der Sonne geküsst ist aber glücklicherweise der Revel um zehn aufgewacht und einen Kickstart meinerseits sowie zwanzig Minuten Autofahrt später war ich auch schon am Flughafen. Duschen? Fehlanzeige. Der ganze Stress hat mich aber zumindest bis zu diesem Zeitpunkt davon abgehalten, in Wehmut zu versinken. Kaum war ich im Flieger, hat’s mich dann aber mit voller Breitseite erwischt. Wenn man einen halben Tag im Flieger sitzt, hat man einfach viel zu viel Zeit um über diese unglaublich herrlichen fünf vergangenen Monate zu sinnieren.

Während ich samt Flieger also höhentechnisch Meter mache, fällt meine Stimmung ins Bodenlose. Wo soll es nach dem Semester noch hin? Habt ihr schon mal das Gefühl gehabt, gerade die beste Zeit eures Lebens erlebt zu haben? Past and Future? Fühlt sich sehr seltsam an, das sag ich euch.

Mittlerweile sind aber gute eineinhalb Monate vergangen und ich kann Entwarnung geben – alles frisch und fruchtig, im Staate Österreich. Natürlich könnte ich hier herumsitzen und New Orleans nachheulen. Oder ich genieß einfach den Sommer hier (sollte er jemals kommen) und freu mich aufs nächste Abenteuer, hier, dort, oder am Mond. Who fucking cares, ich freu mich drauf. Bis dahin vorerst wohl zum letzten Mal,

- Euer Tobi

Proud like a god, as ever.

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