Tuesday, March 15, 2011

New Orleans, Woche IX

Hui, jetzt bin ich ja fast schon spät dran mit meiner zweiwöchentlichen New Orleans-Semester-Berichterstattung©. Aber was soll’s, Mardi Gras will ja auch erst mal verdaut werden. Und andauernde Pünktlichkeit veranlasst die Leute ohnehin nur dazu, so was ständig von mir zu verlangen – soweit kommt’s noch! Ich mag Unpünktlichkeit, die steht mir, so war ich schon immer. Muss ich wohl geerbt haben. Genug davon, ich präsentiere hiermit jedenfalls voller Stolz und Umschweife meine Special-Mittwochs-Ausgabe. Passt gut darauf auf, die hat bestimmt bald mal Sammlerwert. Na denn, viel Spaß!

Eben diesen hab' ich nämlich die letzten zwei Wochen auch gehabt. Hier in New Orleans hat echt der metaphorisch oft bemühte Bär gesteppt – heftig! Bevor ich mich allerdings dem Elefanten im Raum zuwende .. 


.. möchte ich die soeben gepushte Stimmung mit einer kleinen, traurigen Geschichte auch gleich wieder drücken. Ich wurde nämlich wieder einmal sitzen gelassen. So sind sie, die Frauen. Da überqueren sie zwei Kontinente und einen Ozean um einen zu besuchen (okok, Washington, New Orleans und ganz generell die Tatsache, dass es sich um das Austrian Student Program der Uni Innsbruck gehandelt hat, mögen auch eine Rolle gespielt haben, aber wen interessieren schon solche Kleinigkeiten? Ich versuche hier schließlich ein wenig Feenstaub zu verstreuen!) und kaum drei Wochen später fliegen sie schon wieder zurück. Ja, Maria, du darfst dich ruhig angesprochen fühlen – was für eine Frechheit! Aber diese klaffenden Lücken in meinem seelischen Befinden mal außen vor gelassen, war es herrlich die ASP Gruppe hier zu haben. Auch wenn die Maria sich erst gegen Ende ihres Aufenthalts getraut hat, mich ihrer Truppe vorzustellen. Mehr Zeit mit diesem feierwütigen Haufen hätte meine Leber aber vermutlich ohnehin nicht verkraftet .. Wie auch immer: danke Leute, danke Maria, schön war’s!

Auf ein baldiges Wiedersehen.

So, genug herumgesülzt, jetzt geht’s ans Eingemachte. Es folgt der Grund, warum ich die letzten zwei Wochen kaum zu Hause war und insgesamt gefühlte zweieinhalb Stunden Schlaf abbekommen hab. Der Grund, warum manche Einheimischen fluchtartig die Stadt verlassen, während Touristen kollektiv durchdrehen. Und vor allem ein weiterer Grund, warum New Orleans so verdammt geil ist. Meine Damen und Herren, werte Leserschaft: Mardi Gras! Dem ein oder anderen wird’s bekannt vorkommen, die Franzosen können es sogar übersetzen: Fetter Dienstag, in heimischen Gefilden auch Faschingsdienstag genannt. Unweigerlich ist alles hier die letzten Wochen darauf zugesteuert und am Tag X war es dann soweit. Bis dahin gab es ja schon fast jeden Tag Paraden (die auch – im Gegensatz zur ersten – richtig gut geworden sind) und mit Mardi Gras als Höhepunkt ist die Stadt dann schlicht und einfach abgehoben. Ein paar Leuten hab ich das in Mails schon beschrieben, aber hier noch mal für alle: Wahn. Sin(n). Die Leute hier sind so was von durch die Decke gegangen, ich persönlich hab das noch nie erlebt. Anders als in manchen Ländern greift man hier um zehn Uhr morgens nicht zum Knoppers, sondern pflichtbewusst zur Handgranade. 

Man muss schließlich tun, was der Mann im Flieger verlangt.

Um diese Uhrzeit gehen nämlich die Abschlussparaden los. Der Tag hat dann (bei mir zumindest) bis vier Uhr in der Früh gedauert. Dazwischen: Musik, Tanzen, Kostüme, keine Fotos, mehr, weniger, oder ganz nackte Menschen, Chaos und tonnenweise Beads (Plastikperlenketten auf die hier jeder ganz scharf ist). Zuerst hat mich noch gewurmt, dass ich keine Kamera dabei gehabt hab, aber mir ist zum Glück rechtzeitig gedämmert wie dämlich es wäre zu versuchen das alles auf Fotos zu bannen. Folgerichtig gibt’s keine Bilder, dafür aber fantastische Erinnerungen, die ich mir aufs Regal über meinem geistigen Kamin stellen werde. Witzigerweise war die Bourbon Street im ganzen Chaos übrigens noch am „normalsten“.

So normal wie New Orleans Sündenpfuhl #1 nun mal sein kann.

Das liegt daran, dass hier fast nur unverkleidete, dafür aber um so betrunkenere Touristen herumflaniert sind. Um zu beschreiben was dagegen auf der Frenchmen Street abgegangen ist, fehlen selbst mir altem Phrasendrescher die Worte. Ein Versuch, in Impressionen: da wäre einmal der Diskosaurier. Eine Mischung aus Einkaufswagen, Soundsystem und Dinosaurierkostüm, mit der irgendein Typ einen ganzen Straßenzug unterhalten hat. Dem sind die Leute wie damals dem Rattenfänger hinterher getanzt, ich frag mich ob die irgendwannmal ans Mississippiufer gespült werden. Die Leute, die den lockenden Rufen des Diskosauriers widerstehen konnten, sind einfach einer der vielen Bands gefolgt, die ebenfalls durch die Straßen gezogen sind. Völlig unorganisiert sind so die Straßen geflutet worden, angeführt wurden diese Trupps manchmal eben von Bands, manchmal von ein paar Typen in einheitlicher Verkleidung (zum Beispiel Leuten in Särgen, die zu Fahrrädern umfunktioniert wurden) manchmal auch gar nicht. Immer der Musik nach. Ich hab nicht den blassesten Schimmer wie weit ich an diesem Tag herumgelaufen bin, aber meine Füße waren am nächsten Tag doch verdammt sauer auf mich. Die Armen. Eines meiner persönlichen Highlights war übrigens ein Typ mit einem Leguan auf dem Kopf. Den Leguan hab ich auch nur so lang für ausgestopft gehalten, bis er mich fragend angeschaut hat (der Leguan, nicht der Typ – der hat gelacht). Mann, ich liebe New Orleans. Wirklich.

Eines muss ich an dieser Stelle zu Mardi Gras übrigens noch loswerden: ich kann verstehen, dass für sehr religiöse Menschen die Bourbon Street wie Sodom und Gomorra vereint und upgedated wirken muss. Darum find ich es auch nicht schlimm, wenn sie hin und wieder (ok, andauernd) dort demonstrieren und Flugzettel à la „Jesus Loves You“ verteilen. Auch der gelegentliche Kreuzzug (kein Scheiß, die ziehen mit riesigem Holzkreuz durch die Bourbon Street) sei ihnen gegönnt. Aber was die dann teilweise für schwulenfeindliche, rassistische und ganz generell menschenverachtende Parolen abfeiern, ist echt grenzwertig. Wenn dann noch dazu ein fünfzehnjähriges Mädchen durchs Megafon brüllt, welche Bevölkerungsgruppen alle in der Hölle schmoren werden, finde ich das beunruhigender als alle anderen Sünden auf der Bourbon Street zusammen. Und das sind viele.

Wie dem auch sei, auch Mardi Gras war einmal zu Ende. Am Mittwoch wurde entkatert und am Donnerstag schon wieder fortgegangen. Krönender Abschluss der Woche war dann ein Reggae Konzert am Sonntag mit Lisa und ihrer besseren Hälfte (und das will was heißen) Mike. Inklusive strengem Rauchverbot, versteht sich.

Das dürfte aber nur so lange gegolten haben, bis diese Hinweise
von süßlich duftenden Nebelschwaden verdeckt wurden.

Das war's also für die zwei durchgemachtesten (in meinem Blog darf ich sehr wohl meine eigenen Wörter erfinden) Wochen bislang. Hab diesmal kein aktuell passendes Video gefunden, also gibt’s Archivaufnahmen. Von einem Eichhörnchen, das die Überreste von einem vermutlich geklauten Muffin frisst. Nicht mehr, aber werte Leserschaft, auch um kein Stück weniger. Und jetzt alle …

… MOOOIIII!!!

1 comment:

  1. Lieber Tobi - nachdem mir beim Ex-Volleyballerinnentreffen von deinem Blog vorgeschwärmt wurde hab ich mich selber überzeugen müssen. Und find deine selbst erfundenen Wörter und deinen ganzen Blog überhaupt großartig. Werd ich sicher verfolgen! Übrigens, lustigerweise dürftest du die Lotte, eine alte Mitbewohnerin und Freundin von mir kennengelernt haben... :) Schöne Zeit noch! Liebe Grüße aus Innsbrooklyn, Anita

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